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„Der ‘as-a-Service-Gedanke’ ist derzeit das spannendste digitale Geschäftsmodell“

Der digitale Mittelstands-Award (DIMA) prämiert beispielhafte Digitalprojekte mittelständischer Unternehmen der DACH-Region. Die Jury besteht aus sechs Mitgliedern, die ihre herausragende digitale Kompetenz bereits unter Beweis gestellt haben. Dr. Holger Schmidt gehört dazu: Der ehemalige Wirtschaftsjournalist beschäftigt sich intensiv mit den Themen Plattformökonomie und Künstliche Intelligenz (KI) und forscht zu neuen digitalen Geschäftsmodellen.

Mann mit einem E-Scooter

Im Interview verrät der Digitalexperte, wie Mittelständler konkret von KI profitieren können, was sich hinter dem Plattform-Index verbirgt und warum er auf den DIMA gespannt ist.

Herr Dr. Schmidt, als Dozent lehren Sie digitale Transformation an der TU Darmstadt. Sollten solche Inhalte nicht viel verbreiteter sein, wenn man sich anschaut, wie zäh die Digitalisierung in Deutschland zumindest vor Corona verlaufen ist? Digitalexperten sind auf dem Arbeitsmarkt zumindest so gefragt wie noch nie …

Mittlerweile sind viele Studiengänge auf die digitale Wirtschaft ausgerichtet, allen voran Informatik oder auch Maschinenbau. Meine Lehre konzentriert sich allerdings vornehmlich auf den Bereich der digitalen Geschäftsmodelle, also wie Gründer die Technologie nutzen können, um eine Firma aufzubauen oder wie solche Geschäftsmodelle in klassischen Unternehmen angewendet werden können. Und in diesem Bereich ist das Lehrangebot in Deutschland in der Tat noch recht begrenzt.

Digitalisierung bedeutet für viele Mittelständler in erster Linie Automatisierung. Trifft das aus Ihrer Sicht den Kern?

Wer automatisiert, optimiert im Wesentlichen das Bestehende. Damit erlangt ein Unternehmen aber noch keine entscheidenden Wettbewerbsvorteile. Verschiebungen an der Spitze eines Marktes beruhten in den letzten 20 Jahren in der Regel nicht auf dem bloßen Einsatz neuer Technologie, sondern auf einem überlegenen Geschäftsmodell, das die Möglichkeiten der digitalen Weiterentwicklung geschickt integriert hat. Amazon hat seine Weltmarktführerschaft beispielsweise nicht auf einem bestimmten Produkt technischer Raffinesse begründet, sondern auf seinem plattformbasierten Geschäftsmodell.

Für Mittelständler aus dem B2B-Segment stellt sich oft die Frage, ob sie in den Aufbau eines eigenen Online-Shops investieren oder lieber eine Plattform als Online-Marktplatz nutzen. Wozu würden Sie raten?

Das eine schließt das andere nicht aus. Wer Plattformen als Anbieter eines Produktes jedoch ignoriert, verschließt sich den Zugang zu neuen Märkten, die durch einen Online-Shop nicht abgedeckt werden können. Ein Beispiel: Rund 40 Prozent, der auf dem deutschen Amazon-Marktplatz gelisteten Anbieter kommen aus China. Sie nutzen die Plattformökonomie, um im Ausland Produkte vertreiben zu können.

 

Foto von Dr. Holger Schmidt

                                Dr.  Holger Schmidt, Dozent  an der Technischen Universität Darmstadt

Sie haben den Plattform-Index entwickelt. In aller Kürze: Was verbirgt sich dahinter?

 

Plattformen sind derzeit das dominante digitale Geschäftsmodell. Sechs der zehn erfolgreichsten Unternehmen der Welt arbeiten auf diese Weise. Der Plattform-Index ist der wissenschaftliche Versuch, die Überlegenheit dieses Geschäftsmodells an den Börsen zu zeigen. Er umfasst die Aktienkurse 15 solcher Unternehmen. In den vergangenen fünf Jahren hat dieser Index um mehr als 300 Prozent zugelegt 

Mittlerweile haben wir auf dieser Basis auch den Aktienfonds „The Original Platform Fund“ aufgelegt, der ausschließlich börsennotierte Unternehmen im Portfolio hat, die eine eigene Plattform betreiben.

Einer Ihrer Schwerpunkte ist das Thema Künstliche Intelligenz. Sie behaupten sogar, dass diese Technologie die Deutsche Bahn pünktlicher machen kann – das hat bisher noch niemand geschafft. Wie kann ein Mittelständler denn konkret von KI profitieren?

Da gibt es viele Ansatzpunkte, obwohl Künstliche Intelligenz im Mittelstand bisher kaum über Pilotprojekte hinausgekommen ist. So besitzt KI beispielsweise großes Potenzial im Bereich der Prozess-Automatisierung, Stichwort Process Mining, oder auch in der Qualitätskontrolle, beim Erkennen fehlerhafter Produkte. Darüber hinaus lassen sich mithilfe der KI Maschinen intelligenter machen, die dann etwa voraussehen, wann sie einen Defekt erleiden, also der Bereich der vorausschauenden Wartung, auch Predictive Maintenance genannt. Das eröffnet wiederum neue Geschäftsmodelle wie Equipment-as-a-Service (EaaS), bei dem Produktionssysteme oder Maschinen nicht gekauft, sondern von einem Anbieter gegen eine Gebühr bereitgestellt werden.

Sie forschen seit Jahren zu neuen digitalen Geschäftsmodellen. Was sind neben EaaS derzeit die spannendsten Entwicklungen? Stehen neue, disruptive Modelle in den Startlöchern, die nicht nur kleinteilige Verbesserungen versprechen, sondern echten Mehrwert bieten?

Generell wird die Plattformökonomie auch in anderen Branchen weiter an Bedeutung gewinnen, beispielsweise bei der Mobilität, bei Immobilien, Gesundheit oder Bildung. Der eben erwähnte „as-a-Service-Gedanke“ ist das wohl spannendste Geschäftsmodell derzeit. In der Automobilbranche passiert da schon recht viel, beispielsweise in Richtung Fahrzeug-Abonnements. Zukünftig sind auch Services mithilfe von selbstfahrenden Autos denkbar.

Gibt es auch digitale Trends, die überschätzt werden?

Ich bin mir nicht sicher, ob die Blockchain-Technologie all die Versprechen hält, die damit seit einigen Jahren schon verbunden werden. Die wirklich zwingenden Anwendungsgebiete sehe ich in der Praxis bis heute nicht.

Sie sitzen aufgrund Ihrer Expertise zu Digitalisierungsthemen in Wirtschaft und Arbeitsleben in der Jury des Digitalen Mittelstands-Award 2021. Was erwarten Sie sich von diesem Wettbewerb?

Dem Mittelstand wird ja oft nachgesagt, dass er bei der Digitalisierung noch nicht weit fortgeschritten ist. Dabei schlummert in diesen Unternehmen enormes innovatives Potenzial, das auf diesem Event hoffentlich zum Vorschein kommt. Ich warte auf jeden Fall auf viele kreative digitale Ideen.

 

Haben Sie den Livestream vom DIMA-Award am 18.November verpasst? Kein Problem: Hier können Sie sich die Preisverleihung im Video-Rückblick ansehen:

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